Montag, Juni 22, 2009

#iranelection: 22.06.09


Das am heftigsten diskutierte Thema waren heute wohl die Unregelmäßigkeiten, die vom Hardlinern besetzten iranischen Wächterrat bei der stichprobenhaften Überprüfung der Wahlergebnisse festgestellt werden konnten. In ca. 50 Bezirken seien mehr Stimmen abgeben worden als registrierte Wähler existierten. Diese Meldung wurde später von der iranischen Nachrichtenagentur IRNA wieder dementiert und den westlichen Medien vorgeworfen die Aussagen des Wächterrats verzerrt zu haben. Im Vergleich zum Samstag scheint es auf den Straßen von Teheran heute ruhiger gewesen zu sein. Bereiten sich alle auf den von Mussawi angekündigten morgigen Streik vor? Auf Twitter sind Streikaufrufe und angebliche Hinweise der iranischen Regierung zu vernehmen, die allen eventuell Streikenden mit der sofortigen Entlassung drohen.

Laut Aussagen von Krankenhäusern im Iran sind über 40 Todesopfer zu beklagen; weit mehr als bisher von den iranischen Medien bestätigt wurden. Zahlreiche iranische Journalisten und Blogger wurden festgenommen oder sind verschwunden. Der BBC Reporter John Leyne wurde aufgefordert das Land innerhalb der nächsten 24 Stunden zu verlassen, die Satelliten Station von Al Arabiya wurde geschlossen.

Nach dem Mord der jugen Frau Neda, den Millonen Menschen auf YouTube mitverfolgen konnten, hat die Revolution ihre erste Märtyerin, die mit "Wir sind Neda" Chören mitllerweile gehuldigt wird. Es gab heftige Proteste, da das amtierende Regime allen Moscheen verboten hatte, eine offizielle Beisetzung abzuhalten. Der Familie wurde der Leichnam nur unter der Bedingung ausgeliefert, dass sie schnell und ohne Unterbrechung beerdigt werde. Viel zu groß war die Angst vor der Reaktion der Masse, die zahlreich bei einer offiziellen Beerdigung erschienen wäre, um von ihrer "Märtyerin" Abschied zu nehmen. Wie religiös kann sich die reaktionäre Staatspitze nach all den Ereignissen eigentlich noch fühlen? Es ist kein Wuder, dass sich in der heiligen Stadt Qom, ein religiöses Zentrum im Iran, Widerstand von Geistlicher Seite zu formieren scheint.

Kritik an Nokia-Siemens wurde laut, nachdem berichtet wurde, dass es dieser Mobilfunkkonzern war, der dem iranischen Regime die Technik geliefert hatte, die in den letzten Tagen das Zensurgehabe der Regierung erst ermöglichte. Auf Twitter waren deshalb Boykott Aufrufe bezüglich von Nokia Produkten zu lesen.

Von Mussawi gibt es weiterhin nicht viel zu hören. Er hält sich relativ bedeckt, da er eine sofortige Verhaftung befürchten muss, sobald er in Erscheinung tritt. Wie geht es morgen weiter? Ich bin gespannt, ob tatsächlich morgen tausende Iraner dem Streikaufruf folgen, die Arbeit niederlegen oder nur erscheinen und keinen Finger krümmen. Ich hoffe, dass nach dem schrecklichen Wochenende der Revolutions-Bewegung nicht die Luft ausgeht. Eines steht aber jetzt schon fest. Iran hat sich jetzt schon unwiderruflich verändert. Auf kurz oder lang ist dieser Prozess nicht mehr aufzuhalten. Eine junge Generation wehrt sich.

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