Dienstag, Dezember 05, 2006

Scar Tissue von Anthony Kiedis / John Belushi - ein kurzes schnelles Leben von Bob Woodward

Ich habe dieses Jahr zwei Bücher gelesen, die von der Thematik nicht hätten ähnlicher sein können, die sich jedoch in entscheidenden Punkten sehr voneinander unterscheiden. Bei dem ersten handelt es sich um "Scar Tissue", die Autobiografie von Anthony Kiedis, der Sänger von den Red Hot Chili Peppers, den ihr bestimmt alle aus der Gala kennt. Da war er drin, weil er ab und zu mal was mit Heidi gehabt hat, bevor die sich in den großen, schwarz-narbigen Seehund verknallt hat. Ausserdem macht der auch tolle Musik, zu der ich vor 14 Jahren immer ganz ausgelassen gepogt habe, weil mir keiner gesagt hat, dass mich hier das erstemal der Funk geküsst hat und ich das ganze ein bisschen mehr aus der Hüfte starten lassen sollte. Ja, ja der Tony, macht heute immer noch klasse Mucke, die ich aber irgendewie nicht mehr so aktiv höre, da, immer wenn ich die Californication reinhaue mir auffällt, dass die auch ohne mein Zutun überall läuft und ich alles, ohne mich darum gekümmert zu haben, schon in und auswendig kenne.

Der Tony war früher echt ein wilder Vogel der nichts ausgelassen hat. Und so liest sich seine 600 Seiten dicke Bioschwarte auch verdammt kurzweilig. Sein Vater war ein echter Pimp, sein Sohn schon im Kindesalter den Drogen nicht abgeneigt, später dann abhängig von allen Stöffchen, die die Welt so zu bieten hat. Und Frauen, immer Frauen, die sich dem Glücklichen irgendwie immer von ganz alleine hingegeben haben. Dazwischen lag dann irgendwo die Band und der immer größer werdende Erfolg. Das schöne an der Autibiografie ist, dass sie nie moralisierend daherkommt, dass man das Gefühl hat, dass Kiedis sein Leben mit Freude bis ins Extreme lebt, dass hinter Musik, Drogen und Frauen etwas explosiv bejahendes steht. Eine Intensität, eine Dichte, für die man eben auch seinen Tribut zahlen muss. Kiedis musste zig Entzüge und Rückfälle durchleben und nach Lesen dieses Buches ist es mir ein Wunder wie er das überhaupt überleben konnte. Sein Seelenverwandter und Bandkollege Hilel Slovak hat eine Überdosis dahingerafft und der Peppers Wunderknabe-Gitarrist John Frusciante ist dem Sensenmann mit dem Spritzbesteck auch nur knapp von der Kanüle gehopst.



Es ist ein toller Lebensbericht. Eine schreckliche und feiernde Drogengeschichte. Ein Bericht der tollen 80er Punk Szene an der Westküste. Und ein sehr persönliches Buch. Vorallem besser als die Gala, den hier werden die richtigen Papparazzis-Stories ausgepackt. Tony mit Nina Hagen, die ihm ihre Lieblingsjacke geschenkt hat. Tony, als kleiner Junge, bei Cher im Bett. Tony und Sinead O`Connor, die ihn mal richtig hat ablitzen lassen. Man die Jungs hatten wirklich den Schalk im Nacken, standen furchtbar unter Strom und haben einen nonkonformistisches jugendhaftes Leben zelebriert, von dem ich vielleicht nur träumte, während ich freitags in der Indiedisco fälschlicherweise wieder die Tanzfläche zu "Power of Equality" leergepogt habe, obwohl doch alle mit mir den Funk teilen wollten.


Auch für mich als manchmal Musikschaffender ist das Buch natürlich eine Ode an die bergeversetzende Gewalt von Musik. Wenn ich das Buch zrückhabe füge ich hier noch mein Lieblingszitat an, bei dem Kiedis die energetische Wucht kurz vor dem ersten Auftritt beschreibt, die gleich wie eine Bombe hochzugehen droht.

" Und dann warf der gute Jack Irons den Kopf in den Nacken, schlug seine Stöcke gegeneinander und zählte: "Eins, zwei, drei, vier." Als die Musik einsetzte, wusste ich nicht, was ich tun würde, aber ich hatte so viel Saft durch meine Adern fließen, dass ich trotz der Enge einen Salto machte und voll Stoff gab. Und dann ließen wir es krachen. Bis zu diesem Moment hatten wir keine Vorstellung davon, was wir wollten, doch mit Beginn des Songs begriffen wir, dass wir darauf aus waren, zu explodieren und die Leute mit allem, was wir hatten, wegzublasen. Als wir loslegten, kamen selbst diejenigen im Raum, die und vorher keine Aufmerksamkeit geschenkt hatten, bis ganz vor die Bühne geschlappt. Und als wir fertig waren, stand das ganze Publikum wie wom Donner gerührt da, völlig perplex und sprachlos."



Das zweite Buch, welches ich euch ans Herz legen kann, ist die Biografie von Bob Woodward über das Leben von John Belushi. Woodward, ist der Journalisten Spezi, der mit seinem Kollegen Bernstein, den Watergate Skandal aufgedeckt hat, der Amerika so bis ins Mark und Bein erschütterte. Nixon musste den Abgang machen und Woody hat den Pulitzerpreis abgesahnt. Wir haben es hier also mit einem journalistischen Schwergewicht zu tun, der es bei der Washington Post mit investigativen Ermittlungen zu tun hatte. Dementsprechend unterscheidet sich auch der Ton der Biografie. Er ist wesentlich sachlicher als die persönlichen Anekdoten die Anthony Kiedis so ganz subjektiv und frei von der Leber zum Besten gibt. Dafür aber super recherchiert, mit einem riesen Anhang, in dem jeder Artikel, jedes Interview, das für die Entstehung des Buches von Bedeutung war, aufgelistet wird.



Obwohl der Stil eher nüchtern ist und ich am Anfang deshalb auch nicht so in das Buch reingesogen worden bin wie vielleicht bei "Scar Tissue" hat es mich doch noch wesentlich beeindruckter, getroffener, veränderter hinterlassen, als vieles was ich in letzter Zeit gelesen habe. Und das liegt vor allem an der Person John Belushi, der mich wesentlich mehr fasziniert hat als Kiedis. Dieser so brachial, physisch agierende Komödiant, dem eine so lange und erfolgreiche Karriere vorausgesagt wurde und dem, eigentlich genau am Anfang dieser, seine Drogensucht ein tragisches Ende bereitet hat. Aussetzen des Atems auf Grund einer Überdosis. Belushi hat Berge von Koks geschnupft, gesoffen, sich Quaaludes reingehauen, gekifft und sich am Ende dem Heroin hingegeben, um das er aus Angst lange Zeit einen Bogen gemacht hatte. Belushi, dieses Genie, das an seinen eigenen Selbstzweifeln, an seiner eigenen selbstzerstörerischen Ader zugrunde gegangen ist. Einer, der Punk liebte, der gegen das Establishment arbeiten wollte und trotzdem in einem rasanten Aufstieg zu einem seiner Vorzeigehelden geworden ist.



Das Buch arbeitet alle seinen wichtigen Lebensstationen genau ab. Seine Jugend, seine ersten aufseheneregenden Auftritte bei "Second City" (einem sehr bekannten Comedy Theater in Chicago), sein Umzug nach New York, wo er erst zusammen mit Chevy Chase in "Lemmings" auftrat, dann für das National Lampoon Radio arbeitete, bevor man ihn für die erste Staffel von Saturday Live castete, von wo aus es in Bezug auf sein Bekanntheitsgrad kein Halten mehr gab. Belusih, Dan Aykroyd, Gilda Radner, Chevy Chase, Jane Curtin, Garret Morris waren bald Kult und Hollywood aufmerksam geworden. "Animal House" von John Landis brachte den großen Durchbruch auf der Leinwand und die in der Show das erstemal agierenden Blues Brothers (Belushi und Aykroyd) schafften mit einer fulminanten Band im Rücken mit dem ersten Album Doppel Platin.


Das tragische an der ganzen Geschichte ist, dass Belushis Talent unglaublich gewesen sein muss und das er dafür leider nur so wenig hinterlassen hat. Wenige Filme, die in ihrer Qualität teilweise auch sehr streitbar sind, ca. 5 Jahre Saturday Night Live und die Blues Brothers.

Dabei ist das Buch auch eine großartige Bestandsaufnahme des damaligen Celebrity Lebens. Alle haben mitgekokst. Das galt als völlig normal. Niemand konnte jedoch in Sache Quantität mit Belushi mithalten. Seine nächte-und tagelangen Drogen und Feierstreifzüge waren bekannt. Robin Williams hatte ihn am Abend seines Todes noch besucht. Robert DeNiro, sein Drogen Buddy, hat im gleichen Hotel gewohnt und stand als einziger für Interviews für dieses Buch nicht zur Verfügung.


Mir hat wirklich die Seele geblutet, nachdem ich mit dem Buch fertig war. Vorallem weil Belushi, dieser kleine, brutale Rüpel, der in seiner ganzen Art einfach immer "direkt in die Fresse" war, ein herzensguter Mensch gewesen sein muss, der konsequent das Leben auf des Messers Scheide getanzt hat. Seine Comedy war wie ein gewaltiger, direkter Schrei nach vorne, hatte etwas körperlich zerstörerisches. Dieser Typ guckt in die Kamera und springt dich dabei an. Auch wenn ich mir jetzt im Nachhinein alte Filme, Blues Brothers Auftritte oder Saturday Night Live Sketche anschaue, kann man diesen Wahnsinn im Genie erkennen. Dieses getriebene, nie rastlose Wesen, die gehetzte Persönlichkeit, der Druck, der dann auf der Bühne förmlich explodiert. Das was Anthony Kiedis hedonistisch, bejahend, extrem überlebt hat, endete bei Belushi konsequent, destruktiv, getrieben, verwirrt, wahnsinnig und allein im Hotelzimmertod. Auf seinem Grabstein auf Martha`s Vineyard steht "I may be gone, but Rock`n Roll lives on". Diese radikale, kreative Seite mit all ihren negativen Aspekten, mit all dem Druck und der Zerissenheit hat mich mehr fasziniert, lagen mir näher als Kiedis ein Glück gut ausgegangene Lebensgeschichte.

Das hat mich auch an meine eigene verflossene Band zurückdenken lassen. Dieses auf der Bühne "rauslassen" können, dieses im Moment aufgehen, dieses nicht mehr nachdenken müssen. Diese instinktive, augenblickliche Aktion. Welch befreiende Sekunden das gewesen sind. Alle Hüllen fallen und übrigbeleibt, was wirklich von einem als wirklich empfunden wird, bevor sich der abgeworfene Mantel wieder von alleine zugeknöpft.

Ich habe die John Belushi Biografie gleichzeitg von zwei Seiten empfohlen bekommen, die das Buch irgendwann in den 80ern gelesen hatten. Beide meinten, dass sie kein Buch in ähnlicher Art und Weise in ihren jungen Jahren so stark geprägt hat wie dieses. Und mit meinen 31 Lenzen kann ich sagen, dass das Buch und Belushis Geschichte nichs von seiner Treffsicherheit verloren hat. Mein Bedürfniss danach diesen Mann live im Bild zu sehen war unglaublich groß. Durch eine fachmännische Quelle konnte ich mir aud DVD gleich die Blues Brothers Live Auftritte, den Film an sich, Continental Divide und Die Saturday Night Live Best of John Belushi DVD zu Gemüte führen. Hammer...

ch mochte John Belushi immer. Schon damals als Kind im Zeitalter der Videokassette. Jetzt liebe ich ihn und bau mir einen Altar...

Just dieser Tage ist auch eine neue Belushi Biografie erschienen, die seine Frau geschrieben hat. Ich glaub ich bin dabei. Links in der Bücherliste findet ihr die Links zu den Büchern bei Amazon. Die Belushi Biografie gibt es gerade als absolutes Schnäppchen bei ZweitausendUndEIns für nur 2,99 €. Wer kann dazu schon "Nein" sagen ???



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