Montag, Oktober 30, 2006

Cocaine Cowboys

Ich kann mich noch gut daran erinnern wie ich Dreikäsehoch mich in den 80ern immer gefreut habe, wenn Mama und Papa wie jeden Dienstag das Haus zwecks Kegelabend mit den Worten verließen: "Das ihr aber um spätestens halb neun im Bett seid." Mit wir waren natürlich mein kleiner Bruder a.k.a. Petrus und meine Wenigkeit gemeint. Kaum hatte unsere Familienkutsche die heimische Garage verlassen, waren wir beiden kleinen Racker schon unterwegs in die 1.Etage unseres Hauses, wo unser großer Bruder sein Refugium hatte. Da er aber schon mit einem Bein aus dem Haus war und mit dem anderen irgendwo im Schlamm robbend Wehrdienst erfüllen musste, gab es für Behruz und mich ständig freien Zugang zu einem arschvoll geiler Filme, die sich natürlich keineswegs für so Zwerge wir sie waren eigneten (wenn man der Alterbeschränkungen der FSK glauben schenken mag). Ich musste mir im Zimmer des großen Bruders dann immer einen Stuhl holen, um an den höhergelegenen Vidoschrank zu kommen. Wenn dieses Hinderniss erst einmal überwunden war, gab es kein halten mehr. Mit ehrfürchtiger Stimme habe ich dann Behruz all die verbotenen Titel vorgehaucht, die einen unwiderstehlichen Reiz ausübten und einen schon im Vorfeld wissen ließen, dass man zur Strafe danach wieder aus blanken Entsetzen über das Gesehene nicht einschlafen wird: "Dawn of the Dead, Tenebre, Die Klasse von 1984, Halloween, Rambo, American Werewolf, Das Ding aus einer anderen Welt... usw...." Welch Grauen ! Der Spaß wars wert.

Irgendwann flutschte uns dann auch mal Scarface in die Hände und nur wenige der unerlaubt erspähten Filme haben mich so begeistert wie dieser einer. Am Anfang war ich noch skeptisch, da ich selbst damals schon sehen konnte, dass wir es hier mit einem schon etwas älteren Machwerk zu tun hatten (wir strebten so langsam auf die 90er zu). Doch Tony Montana macht man nichts vor. Meint der das mit der Säge im Badezimmer jetzt ernst ? Was soll der riesiggroße weiße Berg auf seinem Schreibtisch ? Warum sind die Kubaner jetzt noch mal in Amerika ? Fragen über Fragen ! Und obwohl man mit seinen wenigen Lenzen so wenig kapiert hat, war der gebliebene Eindruck doch gigantisch. Später kam dann Michael Mann`s Serie Miami Vice, der er ja vor ein paar Wochen noch mal eine filmische Neuauflage gegönnt hat.


Wer jetzt immer dachte, dass das Leben im Kokainparadies Miami total überzogen dargestellt sei, dem empfehle ich die Doku Cocain Cowboys von Billy Corben, die sich genau mit dieser Ära bschhäftigt. Beginnend in den 70ern wird gezeigt, wie Kokain Miami überschwemmte, wie trendy das Pülverchen war, wie viel Geld damit von der kolumbianischen Mafia verdient wurde und welch blutrünstige Exzesse der Kampf um das weiße Stöffchen dadurch ausgelöste. Keine Stadt in den 80er Jahren war so gefährlich wie Miami . Der Film zeigt viel Footage von früher und läßt diese Zeit durch Interviews von damaligen Drogenhändlern lebenig werden. Dabei scheint die Wahrheit noch weitaus brutaler gewesen zu sein, als uns die Fiktion hat glauben lassen. Schaut euch auf der Filmhomepage mal die Criminal Files von Griselda Blanco an (die schwarze Witwe, the Godmother of Cocaine Trade), die 2004 nach 20 Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen wurde.

Der Film läuft gerade in Amerika auf verschiedenen Festivals und ich kann nur hoffen, dass wir auch in den Genuss kommen werden ihn auf der großen Leinwand zu sehen. Haltet also die Augen auf.

P.S.: Wie man sehen kann, ist die Dienstags-Welle an Gewalt und Horror relativ unbeschadet an an Behruz und mir vorübergezogen. Petrus ist ein Schmuse-Schattenboxer und das einzige womit ich rumballer sind Worte.


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